29. Juni 2021 | Experteninterview mit Vadim Rabinovic
„Ich wünschte, dass es so einfach wäre. Aber leider ist es das nicht, zumindest nicht nur. Aber es ist der Schritt in die richtige Richtung! Denn Alternativen gibt es kaum, besonders für den urbanen Raum, wenn es in die Höhe geht.
Die Art und Weise wie wir gebaut haben und auch noch heute größtenteils bauen ist nicht mehr vertretbar. Konservative Bauweisen, wie Stahlbetonbau, verschlingt Unmengen an Ressourcen, Energie und erzeugt Berge an Bauabfällen, worüber nur wenig gesprochen wird. Das Bauen und Nutzen von Gebäuden generieren ca. 38% der CO2-Emissionen weltweit und Bau- sowie Abbruchabfälle erzeugen bei ca. 55% des Abfallaufkommens. Das sind enorme Mengen und auch für uns ein riesiger Hebel einen positiven Beitrag für eine bessere Zukunft zu leisten.“
Ein gerne genommener Vergleich zwischen Beton und Holz ist die CO2 Menge in einem Kubikmeter. Vereinfacht gesagt emittiert Beton 800kg CO2, wohingegen 1m³ Holz 1 Tonne CO2 bindet. Sozusagen sind Holzgebäude CO2-Speicher! Daher sehe ich den Holzbau als eine der besten Möglichkeiten für mehr Nachhaltigkeit beim Bau.
„Ganz klar, schon von Anfang an ans Ende denken! Das verstehe ich zumindest unter Nachhaltigkeit. Es sollte nicht nur um den Bau und die Bewirtschaftung der Immobilie gehen, sondern auch um den Rückbau. Dieser letzte Aspekt wird gerne verdrängt. Und genau das hat einen großen Einfluss darauf, aus welchen Materialien wir überhaupt bauen! Besonders natürliche Materialien mit geringen oder am besten keinen Anteilen an chemischen Zusatzstoffen eignen sich dafür und sind die beste Alternative für Rohöl- und mineralische Erzeugnisse, welche besonders häufig z.B. in Wärmedämmungen zu finden sind.
Ein weiterer Punkt ist die Einbindung von lokalen Betrieben und Herstellern, sodass lange Transportwege entfallen können. Erst mit kurzen Transportwegen und einer wirklich nachhaltigen Forstwirtschaft kann man von nachhaltigem Holz sprechen, denn nicht jedes Holz ist das. Baustämme müssen für lange Transportwege chemisch behandelt werden. Leider ist der illegale Baumschlag in Ländern mit geringeren Regulierungen noch immer üblich.
Für die Nutzung von Gebäuden soll auf die Verwendung von regenerativen Energien, wie zum Solarthermie-, Photovoltaik- oder Erdwärmeanlagen zurückgegriffen werden. Denn das macht den größten Teil der Nutzungszeit aus.
Und besonders die Zukunft mit den immer höheren Extremtemperaturen, wie wir sie auch wieder diesen Sommer haben, ist dies notwendig das Innenraumklima erträglich zu machen. Das kann durch gebäudetechnische Anlagen und konstruktive Maßnahmen, wie einen geringen Fensteranteil und Verschattung, erzeugt werden. Gründächern und begrünte Fassaden tragen hierbei besonders gut bei.
Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass der Mensch und sein Wohlbefinden mehr in den Mittelpunkt rücken sollte. Das empfinde ich als Nachhaltigkeit in allen Bereichen und Schaffung von einem Mehrwert für die Natur, die Stadt und die Bewohner.“
„Beton kann immer weniger mithalten. Das ist klar. Leuchtturmprojekte des Holzbaus, wie der Mjøstårnet in Norwegen, das Hoho in Österreich und auch bald das Roots in Hamburg zeigen auf, was mit Holzbau möglich ist. Die moderne Art und Weise des Holzbaus ist noch recht jung. Das Brettsperrholz, hat sich erst seit den 2000er Jahre etabliert. Damit kann wesentlich effizienter in die Höhe gebaut werden. Zusätzlich spielen Themen wie die Digitalisierung in der Bauwirtschaft, die Robotik und künstliche Intelligenz eine immer größere Rolle. Ideal für die Vorfertigung, welche den Holzbau auch wirtschaftlich immer attraktiver machen.
Der Baustoff des 19. Jahrhunderts ist Stahl, der des 20. Jahrhunderts Stahlbeton und der Baustoff des 21. Jahrhunderts ist Holz. Und in Zukunft wird immer mehr mit Holz gebaut, ob Neubau, Ausstockungen oder Sanierung. Denn der Trend der Urbanisierung wird weiter gehen und somit auch das Wachstum der Städte und Metropolen, davon bin ich überzeugt! Aber bitte mit Vorsicht und viel grün. Denn niemand möchte in einer grauen Stadt wohnen.“
„Der Holzbau bringt durch das Thema der Digitalisierung und die Vorfertigung sehr hohes Potential für mehr Planungs- und Kostensicherheit (die aktuelle Extremlage auf dem Holzmarkt ist nur temporär und wird sich entspannen, hier mache ich mir keine Sorgen). Durch den hohe Vorfertigungsgrad erhöht sich die Qualität und verringert sich die Bauzeit immens gegenüber den konservativen Bauweisen, wodurch die Immobilie früher bewirtschaftet werden kann. Geschweige denn der Baulärm für die Nachbarn! Und wer schon mal in einem Holzhaus war, schätz sehr das angenehme Raumklima und diesen großartigen Duft.“
Ingenieurbüro Rabinovic.
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